Mut zur Psychotherapie

Psychotherapie als Entwicklungsbeschleuniger

16.04.2020 Von Angelika Völkel


Der Psychotherapeut Ulrich Trebbin erklärt in seinem neuen Buch „Mut zur Psychotherapie“, wie sie funktioniert und warum sie guttut

Braucht es Mut, um eine Psychotherapie zu beginnen?

Nicht, wenn man versteht, dass der Mensch ein Wesen ist, dass sich lernend die Welt erschließt und dass das einmal in der frühen Kindheit Erlernte das Leben als Erwachsener zwar sehr kompliziert machen kann, mit entsprechender Unterstützung aber wieder neu erlernt werden kann.

Ulrich Trebbin bezeichnet Psychotherapie als Entwicklungsbeschleuniger und mit seinem neuen Buch „Mut zur Psychotherapie“ möchte er Menschen ansprechen, die vielleicht spüren, dass ihr Leben unkomplizierter sein könnte. Diesen Menschen stellt er Fragen, zum Beispiel: „Bin ich geeignet für eine Therapie?“ Denn Psychotherapie ist ein Entwicklungsprozess und eine Veränderung der Psyche. Will man dazu ja sagen? Mit den Antworten, die der Leser sich darauf gibt, hat er einen Kompass in der Hand, der ihn in eine gute Richtung führen kann, um aus dem Heute heraus, sich selbst besser verstehen zu lernen und sein Leben neu einzurichten, so dass mehr Selbstverständnis, Zufriedenheit oder auch Lebensqualität darin Platz haben.

Der Autor arbeitet als Gestalt- und Traumatherapeut in eigener Praxis in München. Wie es ist, wenn man in einer Krise steckt und diese selbst nicht mehr allein bewältigen will, das weiß er aus eigener Erfahrung allzu gut und er spricht dies unaufdringlich an. Überhaupt wählt Trebbin, der auch als Hörfunk- und Online-Autor tätig ist, eine angenehm verständliche Sprache, so dass man als Leser bisweilen den Eindruck haben mag, man befinde sich bereits in einem Gespräch mit ihm.

Das Buch ist auch für Psychotherapeuten sehr lesenswert. Trebbin bietet keinen Diskurs zu aktuellen Themen aus der Psychotherapie, es geht ihm nicht darum, etwa die Wirksamkeit von Psychotherapie oder deren unterschiedliche Schulen wissenschaftlich zu hinterfragen. Der professionelle Leser erfährt, welche grundsätzlichen Fragen Menschen haben, die eine Psychotherapie beginnen wollen. Er bekommt Impulse, welche Sichtweisen Klienten haben könnten und wie er darauf reagieren könnte. Der Therapeut findet darin aber auch argumentative Unterstützung, wenn es beispielsweise darum geht zu vermitteln, warum eine Beziehung zwischen Klient und Therapeut niemals eine private außerhalb der Sitzungen sein darf.

Trebbin skizziert kurz, welchen Ansatz welche Psychotherapie-Schule hat. Auch wenn er jeder Schule mit Respekt begegnet, wird deutlich, dass er die humanistischen Verfahren, bei denen sich Therapeut und Klient auf Augenhöhe begegnen sollten, favorisiert. Dabei kommen die anderen Verfahren vielleicht etwas zu kurz.

In den vielen und sehr anschaulich beschriebenen Beispielen, Fälle aus Trebbins Praxis, aber auch von Kollegen, die in der Supervision von Kollegen beraten wurden, wird nicht nur der Klient zum Fall, sondern auch der Therapeut und der Leser kann besser verstehen, welche Bedeutung das Verhalten eines Therapeuten haben kann. So wirbt Trebbin beim Leser um Verständnis, dass auch jeder Therapeut blinde Flecken hat. Er fordert alle, die sich für eine Psychotherapie entscheiden, auf, die Beziehung zum Therapeuten mitzugestalten und Konflikte, die entstehen können, bewusst anzusprechen, vor allem auch, wenn sich schon eine Beziehung zum Therapeuten entwickelt hat. Denn häufig reinszeniert man seine Konflikte und in der Therapie darf man die besondere Situation erleben, dass jemand plötzlich anders damit umgeht, als es die Eltern damals taten. Ein Therapeut hält meistens die scheinbar negativen Gefühle aus. Das ermöglicht dem Klienten, nach und nach die Erfahrung zu machen, dass er so sein darf, wie er ist.

Der Klient ist wichtiges Teil des Settings und soll dafür auch Verantwortung übernehmen. So rät Trebbin die Therapie außerhalb der Sitzungen weiterzuführen, indem der Klient beispielsweise ein Therapietagebuch führt oder in Absprache mit dem Therapeuten Sitzungen aufnimmt, die er sich später noch einmal anhören kann.

Für Trebbin ist jeder Mensch entwicklungsfähig, solange er mit einem anderen in Kontakt sein kann. Austherapierte Menschen gibt es für ihn nicht. Eine Therapie kann helfen, bewusster und intensiver zu leben, erfreulichere Kontakte zu anderen Menschen zu haben, herauszufinden, wer man ist. Therapie ist etwas, das man sich gönnt. Sie ist keine Geheimwissenschaft, sondern ein heilsamer Prozess, der mehr und mehr Raum schafft für das, was im Leben eines Klienten wichtig ist.

Quelle:

  • Ulrich Trebbin, Mut zur Psychotherapie! Wie sie funktioniert und warum sie gut tut, Psychosozial-Verlag Gießen, 166 Seiten, Gebunden, 1. Aufl. 2019, ISBN-13: 978-3-8379-2917-1
    Das Buch ist im Onlineshop des Psychosozial-Verlag erhältlich.